Z E I T E N E N D E

Bolz-Platz

Norbert Bolz bekommt Besuch vom BKA. Sein Vergehen: Er machte sich über „Deutschland erwacht“ lustig. Zeit für eine Sprachbereinigung – fangen wir mit der Autobahn an.

Der – bis dato – deutsche Vorzeigeintellektuelle Norbert Bolz kommentierte damals im Januar 2024 die TAZ Schlagzeile  „Deutschland erwacht“, mit der das AfD-Verbotsverfahren gefeiert wurde, ironisch so: „Gute Übersetzung von ‚woke‘: Deutschland erwache!“ 

Deshalb wurde er nun bei der Zentralen Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI) beim Bundeskriminalamt denunziert wegen „Verwendung einer verbotenen NS-Parole“. Was ihm nun am 23. Oktober 2025 eine Hausdurchsuchung einbrachte.

Das sind schon lange keine Einzelfälle mehr. Jedes Mal, wenn sowas passiert, denke ich, jetzt haben sie aber überzogen mit ihrer Einschüchterung, jetzt muss es ja der letzte merken, wo es bei uns hingeht. Bolz ist ja nicht mal ein Dissident, er ist nur ein kritischer Denker, der sich immer treu geblieben ist, was heißt, dass er sich seinen Qualitätsanspruch weder von rechten noch von linken Grobianen beschädigen lassen wollte. Der Mann argumentiert! Er kuschte nicht, gab nicht klein bei und ging das klassische Risiko des Intellektuellen ein, für das sehr viele Vorgänger vor ihm, ich denke z. B. an Emile Zola, einen hohen Preis bezahlten. Da drohte – und droht noch immer – die Vernichtung der Existenz! 

Wenn ich die enorme Reichweite eines Norbert Bolz hätte, müsste ich mich wohl, nach allem, was in meinem Blog zeitenwende.work zu lesen ist, warm anziehen. So eine Hausdurchsuchung ist kein Spaß! Ich habe das schon mal erlebt, im Deutschen Herbst, in der bleiernen Zeit 1977. Fünfzig zivile und fünfzig uniformierte „Bullen“ umstellten unsere 10-Zimmer-Haus-WG, verbrachten alle in das kleinste Zimmer, wo wir 3 Stunden unter einer entsicherten Maschinenpistole ausharren mussten, bis sie alles, was irgendwie nach Geschriebenem oder Fotografiertem aussah, mitgenommen hatten. Ein halbes Jahr später kam dann der Brief von Generalbundesanwalt Rebmann, ohne Entschuldigung. Der Grund sei gewesen, dass in unserem Haus mal der RAF-Anwalt Kornfeld gewohnt habe – den kannte von uns niemand, und ausserdem hätte man unser Telefon ein Jahr abgehört. Die Protokolle hat aber offenbar niemand gelesen – sonst hätte auffallen müssen, dass wir harmlose Hippies waren.

Wie könnte ich die Staatsmacht gnädig stimmen? In vorauseilender Unterwerfung gestehe ich, dass ich schon oft nationalsozialistische Formulierungen in meiner grenzenlosen Naivität benutzt habe. „Alles für Deutschland“ zwar nicht, aber z. B. „Autobahn“, „Kulturschaffende“, „Sonderbehandlung“, „Betreuung“, „Volk“, „Entartet“. Um das wieder gut zu machen, und mich auf der richtigen Seite der Geschichte wiederzufinden, schlage ich vor, die „Autobahn“ umzubenennen in „Highway“. Jeder, der vor der Wende geboren ist, weiß, dass die „Autobahnen“ untrennbar mit Hitlers Aufstieg verbunden sind. Die Autobahn war das Propaganda-Meisterwerk des Regimes – obwohl kaum jemand ein Auto besaß, um darauf zu fahren. Das A-Wort sollte zum Unwort des Jahres gekürt werden. 

Neulich kam ich an einem Altenheim vorbei. Ich erkannte es daran, dass in großen Leuchtbuchstaben „Senior Living“ darauf geschrieben stand. Offenbar „zieht“ der angelsächsische Begriff mehr als das schnöde „Altersheim“, was nicht einmal nationalsozialistisch vorbelastet ist.

Jeder, der „Autobahn“ sagt statt „Highway“, steht in Zukunft im Anfangsverdacht, mit den „Rechten“ zu sympathisieren. Und darf, zu seinem eigenen und unser aller Bestem, bei der Zentralen Meldestelle im Internet (ZMI) angezeigt werden.

Aber ein Problem hab ich noch, was mir Kopfzerbrechen bereitet: „Deutschland muss kriegstüchtig werden“ – das hat doch nicht nur der Deutsche Verteidigungsminister in letzter Zeit mehrmals wiederholt, sondern auch Propagandaminister Goebbels im 2. Weltkrieg. Unter anderem in der Rundfunkrede vom 26. Juli 1944 nach dem Hitler-Attentat. Das Zitat lautet dort:

„Ich verspreche dem deutschen Volke, nichts unversucht zu lassen, um in wenigen Wochen die Heimat in jeder Beziehung kriegstüchtig zu machen.“ Es wurde eine  nationalsozialistische Parole. Ein hochgebildeter deutscher Minister muss das doch wissen. Ich verspüre nun eine gewisse schmerzhafte kognitive Dissonanz.

Um die zu lindern, habe ich in den sozialen Netzwerken nach Statements und Einordnungen gesucht, die geeignet wären, meinen Blickwinkel so zu weiten, dass dieser schmerzhafte Widerspruch sich als das erweist, was er ist, ein Scheinwiderspruch.

Wer sucht der findet. Ein gewisser Nadagain hat vor 8 Monaten hier gepostet: „Das eine ist eine SA-Parole, das andere eine Notwendigkeit.“ 

In meiner politischen Kurzsichtigkeit habe ich mal wieder übersehen, dass das Handeln unserer Regierung von „Notwendigkeiten“ bestimmt wird, also alternativlos ist.

Ganz sicher war auch die Durchsuchung des Hauses von Norbert Bolz „alternativlos“. Wenn wir die Sprache und Wortwahl unserer Intellektuellen nicht überwachen und reinigen von schlechtem Gedankengut, dann droht Wildwuchs und Chaos, dann steigen wir ab aus der Oberliga und landen irgendwann auf dem Bolz-Platz. 

1 Kommentar

  1. Allfred

    Gerade eben habe ich das Interview von Jasmin Kosubek mit Bolz vom 19.10.2025 gesehen, was mich in einem Punkt doch stutzig macht: eindeutige Parteinahme für Israel. Er sieht die Ursache für den Terror in Gaza eindeutig bei der Hamas. Das zeigt meines Erachtens, dass er ein Abkömmling der herrschenden Klasse ist, sozusagen ein schwarzes Schaf. Die herrschende Klasse empfindet die mörderische Gewalt gegen die untergeordnete (unterzuordnende) Klasse nicht als Terror. Seine Aussage mit Blick auf die Hamas „die Barbarei in diesem Guerilla Krieg hätte ein Ausmaß erreicht, dass es bis dato noch niemals gab“ halte ich für erstaunlich naiv. Die Barbarei des Krieges wird mit dem Fortschreiten der Feindseligkeiten eben deshalb immer grausamer, weil sich immer weniger von den Feindseligkeiten Betroffene dem Freund-/Feindschema, dem Gut-gegen-Böse-Schema, dem harten Kern jeder Propaganda, enthalten können. Leider sehe ich auch Bolz hiervon betroffen.

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