Heute mit stärkerem Schwindel aufgewacht als gestern. Auf dem Weg von Baden-Baden nach Berlin gestern Abend vor Nürnberg Leistungsverlust des 2,2 l Diesel. Als das Motorlämpchen angeht, runter von der Autobahn. Recht desorientiert, überschwemmt von Empfindungen der Schusseligkeit und passiven Schicksalsergebenheit stehe ich da einsam weit nach Feierabend auf einem riesigen Firmenparkplatz vor einer riesigen Halle ohne Firmenschild. Internetzugang schlecht, Handy zeigt nur E. Offline die nächste Tankstelle geortet. Das E-Faltrad rausgeholt und 1 km hingesummt. Hat natürlich zu. Gegenüber taucht ein weißgekleideter Mann auf. Ich rolle hin, ob er wüsste, wo die nächste Daimler Benz Werkstatt ist, Internet wäre schlecht. Er ist gerade erst zugezogen, ich soll doch telefonieren. Zurück zum Problemauto. Im Handschuhfach findet sich tatsächlich bei den Service Unterlagen eine nationale Servicenummer. Musik. Haben Sie noch einen Moment Geduld. Musik. Haben Sie bitte noch einen Moment Geduld. Ca. 25x. Ich will gerade auflegen, da hebt jemand ab. Sympathische Frauenstimme. Ich schildere meine Lage und gebe Name, Adresse, Position, KFZ- und Fahrgestellnummer. Auch ohne Mobilitätsgarantie wird mich der nächstgelegene Daimler Mechaniker anrufen und weitere Schritte vorschlagen. Kostet halt. Ergeben und dankbar stimme ich zu. Schon bald klingelt das Handy, ich soll zur Werkstatt nach Ansbach fahren, ok, Navi meldet 25 km. Navi leitet mich auf die Autobahn. Im letzten Moment, bereits in der Auffahrt, wende ich illegal, ich traue mich nicht auf die Autobahn mit der lahmen Ente. Leicht verwirrt und schusselig schaffe ich es am Straßenrand, dem Navi die Autobahn zu verbieten. 34 km. Ich kriege die Schüssel immerhin noch auf 100.
Die Daimler Werkstatt erweist sich als Glücksgriff (die Höhe der Rechnung ist mir noch unbekannt). Es ist dunkel geworden, ein Montagabend kurz vor 22 Uhr. 3 junge Mechaniker analysieren mein Problem in einer Stimmung, die ich, ich war immerhin auch ein Leben lang Systemanalytiker, als optimal wahrnehme: nüchtern, konzentriert, mit untergründiger Lust an der eigenen Fähigkeit, dem eigenen Können und dann noch die Erfahrung. Letztere lässt den Jüngsten der 3 einen relativ unzugänglichen Schlauch in voller Länge abtasten, der an einer Unterdruckdose angeflanscht ist. Ich hab’s, sagt er. Ein Loch, durch das man den kleinen Finger stecken kann. Offenbar hatte dieser Schlauch, warum auch immer, an dieser Stelle Kontakt mit dem Turbolader. Die heißeste Außenstelle am Motor, steuere ich bei. Zustimmendes Nicken. Überhaupt wurden meine Zwischenfragen immer knapp, aber kompetent beantwortet, so, als wüssten sie, dass ich einen Honda Motorrad Motor mal (1977) inklusive Getriebe komplett zerlegt und wieder zusammengesetzt habe.
Danach bin ich noch weitergefahren, bis zum Pegnitzer Schwimmbad, wo ich die Nacht auf der Rückbank verbracht habe und am Morgen mit Schwindel, wie gestern, aufgewacht bin. Schwimmbäder sind für mich ein Ort der Genesung. Wie positiv und lustvoll die Menschen hier miteinander umgehen. Die kleinen sind wahnsinnig süß, die Mädchen unfaßbar hübsch, die Jungs mimen vor ihnen Helden, Mütter und Väter (MAFIA Mothers And Fathers In Association) müssen sich erholen, und die Alten sind auch entspannt, weil sie es hinter sich haben. Wer will, kann hier sehen, dass alle Menschen vollkommen gutwillig sind, soziale Wesen, die in allen ihren Beziehungen nach lustvollen Erfahrungen suchen, kein bisschen verschlagen oder verlogen, man will einfach Spaß haben, und gönnt es auch jedem anderem. Erst bei Interessen Konflikten hört der Spaß auf und der Stress fängt an und damit der ganze Egotrip, das Leben wird zum Kampf, wo derjenige, der zuerst den Pfad der Fairness verlässt, dadurch zu gewinnen glaubt, und hinterher fragt niemand mehr, mit welchen Mitteln man gewonnen hat, ob man gar über Leichen gegangen ist.
So sind die meisten Menschen Verlierer, aber die Kinder von Gewinnern, aber hier im Schwimmbad sind alle gleich.