Was haben Pixel auf einem Bildschirm mit Nietzsches ewiger Wiederkehr zu tun? Ein Gedankenspiel aus den 80er-Jahren führt zu einer überraschenden Einsicht: Sobald wir einen Rahmen setzen – ob als Computerbildschirm, Sinnesorgan oder bewusste Wahrnehmung – verwandeln wir Unendlichkeit in Endlichkeit. Und in diesem Akt der Begrenzung entsteht nicht nur die Möglichkeit der Wiederholung, sondern auch Bewusstsein selbst. Eine Reflexion über digitale Kombinatorik, Schöpfung und die Frage, warum Kontrast die Voraussetzung für alles Bewusstsein ist.
Seit der frühen Kindheit habe ich ab und zu abstruse Ideen, die ich normalerweise für mich behalte, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass die Mitteilung derselben generell auf Unverständnis stößt und ich dadurch nur einen Ruf als Sonderling generiere.
Diese Ideen kommen mir, wie bei vielen anderen auch, in der Badewanne, beim Spazierengehen oder auch beim Scheißen.
Im Folgenden werde ich so eine Idee mal zum Besten geben.
Ähnlich wie bei der Verdauung die Entleerung des Darms den Darm vorbereitet für die Neuaufnahme von Nahrung, werden auch Gehirnwindungen durch Entleerung entleert – also durch das Niederschreiben von Ideen. Das Niedergeschriebene kreist dann nicht mehr im Untergrund meines Cortex.
Diese Idee hatte ich zum ersten Mal schon in den 80er-Jahren, als ein Bildschirm auf meinem Schreibtisch stand, der nicht mehr mit Buchstaben bestückt war, mit Zeichen, mit 256 Zeichen, sondern mit Zigtausenden von Pixeln.
Und da hatte ich die Idee, dass, wenn diese Pixelzahl endlich ist und auch die Anzahl der Farben – damals gab es allerdings nur Schwarz und Weiß – dann könnte man ganz leicht ein Programm schreiben, das nacheinander sämtliche Pixelzustände permutiert, also zum Beispiel 1, 0, 0, 1 und lauter Nullen, dann 1, 1 und lauter Nullen, dann 1, 0, 1 und so weiter und so fort.
Da ist sofort klar, dass irgendwann sämtliche darstellbaren Bilder auf dem Bildschirm auch dargestellt wurden, und wenn das Programm dann weiterläuft, geht das praktisch von vorne los.
Hat das Nietzsche gemeint, als er von der ewigen Wiederkehr des Gleichen sprach?
Wahrscheinlich nicht, denn digitale Bildschirme, Bildschirmpixel und Druckerpixel gab es ja damals noch nicht – die Welt war analog, und zwar in allen ihren Teilen.
Wenn man jetzt zum Beispiel postuliert, dass auch das Gehirn digital arbeitet – immerhin gilt das Alles-oder-Nichts-Gesetz: Ein Neuron feuert oder es feuert nicht, 1 oder 0 – sind sämtliche Darstellungen des Gehirns bei gleicher Synapsenzahl im Grunde genommen endlich.
Aber auch wenn man sich jetzt größere oder kleinere Bildschirme vorstellt: Irgendeinen Ausschnitt, irgendein beliebiger – sei es der Bildschirm mit 100.000, mit 1 Million Pixeln – kann zwar ungleich viel mehr Bilder herstellen, bis die Wiederholung einsetzen muss, als ein Bildschirm mit 1.000 Pixeln.
Trotzdem ist das im Grunde genommen kein großer Unterschied.
Der Unterschied besteht in der Auflösung.
Jedes Bild kann hoch aufgelöst oder niedrig aufgelöst dargestellt werden.
Insofern haben wir es mit einer tiefgreifenden Beobachtung zu tun: Praktisch jeder Bildschirm, jede Art von Abbildung, die zweidimensional darstellbar ist, ist in der Gesamtzahl der Möglichkeiten endlich.
Woher kommt das?
Wo das Universum doch eigentlich unendlich ist.
Das liegt natürlich daran, dass wir einen Rahmen hineinziehen.
Der Bildschirm schneidet eine Art Fenster.
Deswegen ist auch der Name Windows, philosophisch gesehen, ein guter Name für ein Computerbetriebssystem.
Und der Inhalt in jedem beliebigen Fenster – die Anzahl der möglichen Inhalte ist nicht unendlich, sondern endlich.
Das gilt wahrscheinlich völlig unabhängig davon, ob sich dieses Bildschirmfenster hier bei mir auf dem Schreibtisch oder eine Milliarde Lichtjahre entfernt in einer benachbarten Galaxie befindet.
Um es noch mehr zu verallgemeinern, kann man sagen: Sobald ich irgendeinen Ausschnitt wähle aus der Unendlichkeit, habe ich natürlich Endlichkeit geschaffen.
Schon die Sinnesorgane definieren einen ganz klaren Ausschnitt aus dieser Unendlichkeit.
Wenn man sich vorstellt, dass jede Setzung, jede Rahmensetzung ein Stück Endlichkeit definiert, etwas, das in seiner Variabilität endlich ist, könnte man von einem Schöpfungsakt sprechen.
Der Terminus „Schöpfung“ passt – das ist das perfekte Bild: Aus dem unendlichen Ozean schöpfe ich mit einem Eimer ein endliches Stück Wasser.
Die Grenzen sind nicht natürlich, sondern gesetzt.
Vom Schöpfer.
Und um die Auflösung der Grenzen muss er sich nicht kümmern – dafür sorgt die Entropie.
In diesem Schöpfungsakt, durch diesen Schöpfungsakt entsteht Dualität und Bewusstsein.
Denn Bewusstsein ohne Kontrast ist nicht vorstellbar.
Ich hatte so verschiedene Gedanken. Erstens ist Nietzsche ein Name, der fasziniert. Und ich muss über mich selber sagen, dass ich keine Ahnung habe, was er im Datei erzählt hat. Und auch diese Aussage „von der ewigen Wiederkehr des Gleichen“ existiert in mir ohne einen Kontext. Ich befürchte aber, dass genau dieser Kontext wesentlich ist, um zu verstehen, was er meinte. Auch deine Setzung des Rahmens als Grenze zum Unendlichen, das ist schon eine Abstraktion, die mir zu weit geht. Wenn ich im Wald stehe und vor mir und über mir nur Bäume sehe, sehe ich keine Unendlichkeit. Dennoch hatte ich eine Assoziation, die dem sehr nahe kommt, nämlich die des Fraktales. Gerade hier ist ja die Beobachtung, dass wenn man in die Details hineinzoomt, man immer wieder auf dieselben Formen stößt, und das bis in alle Ewigkeit. Ich bastele auch gerade an der Frage des Bewusstseins herum. Für mich steht im Fokus das Sinnesorgan und dann ein zweites Organ, das die übermittelten Informationen in Sinn verwandelt, also das Gehirn. Ich würde hier gerne deinen Begriff der Rahmensetzung aufgreifen. Denn es ist sicherlich unmöglich, aus dem Unendlichen Sinn zu schaffen. Dieses geht nur, wenn der Rahmen existiert. Also die Differenzbildung einen Teil der Realität abzirkelt, dem man dann Sinn zusprechen kann. Der Schöpfungsakt findet dann in meinem Bewusstsein statt, um aus den Sinneswahrnehmungen Realität zu erschaffen, ein Abbild der Wirklichkeit. Und so hangelt man sich von sinnschaffendem Akt zu sinnschaffendem Akt und stolpert der Zukunft entgegen.