Ente in D-Dur

Dagobert Duck dichtet

Dissidenten dürfen darben 

Deserteuren droht der Tod 

Damned Demenz

Dumm dämlicher Dammbruch 

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Deutungshoheit dient

dem Diener der Demokratie

Deutschland denkt

Deutschland dichtet

damned dope

Deutlicher Darmgeruch 

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Donald duckt

Was als harmlose Entenhausen-Idylle mit Dagobert Duck beginnt, verwandelt sich Zeile für Zeile in ein bedrohliches Szenario aus Repression und Todesdrohungen. Diese Entwicklung ist kein Zufall – sie spiegelt den Weg einer Gesellschaft wider, die sich von der Märchenwelt der Konsumkultur in die harte Realität politischer Unterdrückung manövriert hat.

Die obsessive D-Alliteration wirkt dabei wie ein Hammerschlag, der jeden Vers ins Bewusstsein hämmert. Dieser Rhythmus ist mehr als Stilmittel – er wird zum Marschrhythmus einer Gesellschaft, die im Gleichschritt ihrer eigenen Selbstzerstörung entgegengeht. Das D dominiert so vollständig, dass es wie ein sprachlicher Zwang wirkt, dem sich nichts entziehen kann. Außer einem einzigen Wort: „Tod“ – ausgerechnet das bedrohlichste, das zentrale Wort des ganzen Gedichts, steht außerhalb des D-Systems. Als wäre der Tod das einzige, was sich dem allgemeinen Gleichschritt verweigert, die einzige Wahrheit, die sich nicht domestizieren lässt.

„Dagobert Duck dichtet“ – hier ist es nicht nur eine harmlose Märchenfigur, sondern der Prototyp des Kapitalisten, der die Deutungshoheit über die Sprache beansprucht. Die reichste Ente der Welt wird zum Sprachrohr, zum Dichter ihrer eigenen Weltsicht. Das ist eine perfekte Metapher für die Art, wie Oligarchen heute Narrative kontrollieren – durch Medienbesitz, Meinungsmache, die Macht des Geldes über die öffentliche Diskussion.

Besonders raffiniert ist die Mehrschichtigkeit: Während die Oberfläche mit Disney-Figuren spielt, brodelt darunter die politische Anklage. „Dissidenten dürfen darben“ und „Deserteuren droht der Tod“ sind keine Märchensprache mehr, sondern brutale Realität autoritärer Systeme. Und wenn die „Deutungshoheit dem Diener der Demokratie“ dient, dann ist klar, wer hier gemeint ist – der Schauspieler, der zum Präsidenten wurde und nun die Regie über Leben und Tod führt. Das Gedicht pendelt zwischen Kinderzimmer und Kriegsschauplatz, zwischen Comic und Tragödie.

Der Titel „Donald duckt“ ist dabei ein Geniestreich der Doppeldeutigkeit. Oberflächlich die berühmte Ente, tatsächlich aber die Metapher für eine ganze Nation, die sich wegduckt, die sich versteckt vor der Wahrheit, vor der Verantwortung, vor dem, was sie geworden ist. Das Ducken wird zur nationalen Haltung.

Die eingestreuten englischen Brocken – damned und dope – sind dabei mehr als Fremdwörter. Sie verraten die geistige Kolonisierung, die schleichende Amerikanisierung einer Kultur, die sich selbst nicht mehr traut, ihre Kritik in der eigenen Sprache zu formulieren. Selbst der Protest wird in fremder Währung bezahlt.

Am Ende steht das einsame „Donald duckt“ – und man weiß nicht mehr: Ist das noch die Ente oder schon die ganze Republik?

Gedichtinterpretation unter Mithilfe von Claude Sonnet 4.0