Waldspaziergang Diktat 240422 19:46

Ich bin eben an einem Menschen mit schwarzer Hautfarbe vorbeigekommen, der mir ein bisschen im Weg stand und erst im letzten Moment Platz gemacht hat.

Direkt danach ist mir aufgefallen, dass ich nach meiner Sri Lanka und Indien Reise im Januar und Februar jetzt schon wieder hier so angekommen bin, dass die allgemeine Kontaktangst auch mich wieder beeinflußt. Ich habe den Mann ganz anders angeschaut, als ich ihn in Indien angeschaut hätte. Zwar nicht feindselig, aber doch skeptisch und distanziert, ohne mich zu fragen und ohne zu bemerken, wie sich dieser Mensch gerade fühlt.

In diesen Dritte-Welt-Ländern hast du mit allem und jedem immer sofort Kontakt – mit Tieren, Menschen, Bäumen und Vögeln.

Hier gewöhnt man sich daran, dass es sehr viele Menschen gibt, die Kontakt ablehnen.

Aber warum? Woher kommt diese Kontaktangst?

Das ist sehr traurig, denn Kontakt ist doch genau das, worum es im Leben geht, das Verbindende, nicht das Trennende. Kontakt macht uns zu Wesen, zu Lebewesen. Der Wille zum Kontakt, den haben nur Lebewesen, Maschinen haben weder Wille noch Kontakt.

Wie der Name schon sagt, Kontakt, da ist Berührung, Synchronizität, da ist Harmonie, Kommunikation, aber auch Gleichschritt.

Jedes Wesen, jede Organisation, jedes System muss, um mit den anderen Systemen und Subsystemen zu kommunizieren, d.h. Kontakt aufzunehmen, die richtige Wellenlänge einstellen.

Das ist Kontakt, die richtige Wellenlänge.

Kontaktscheu, Kontaktarmut sind im Grunde genommen Krankheitszeichen, dass im Lebensprozess etwas schiefgegangen ist, etwas aufs Abstellgleis geraten ist.

Letztlich werden wir krank und einsam, wenn wir nicht erkennen, dass wir dazu da sind, hallo, (dieses Hallo galt einer Spaziergängerin, die mich gegrüßt hat) einem höheren Takt zu folgen.

Das übergeordnete System schwingt seinen Taktstock und wenn die Untergeordneten nicht freudig in diese Musik einstimmen, zerfällt das System, wird krank und stirbt.

Wenn allerdings der Dirigent Scheiße baut und wegen seiner Unfähigkeit Fehler zuzugeben die Orchestermusiker dafür bestraft, muss er sich nicht wundern, dass die Orchestermusiker nicht freudig Kontakt mit ihm aufnehmen, wenn er zum Taktstock greift. Ist er beratungsresistent und unfähig zur Selbstkritik, liegt die Palast Revolution in der Luft. Ein Fußballtrainer wird dann ausgewechselt, weil die Mannschaft nur noch verliert. Ein Politiker könnte auf die Idee kommen, eine Pandemie auszurufen oder sonst einen sehr bedrohlichen Feind, einen schrecklichen Teufel an die Wand zu malen. Wer dann noch Widerworte gibt, ist des Teufels und kann in die Ecke oder gar an die Wand gestellt werden. Hier sieht man, dass Kontakt Angst nicht nur eine Spielart der Todesangst ist, sondern auch geradewegs in katastrophale, tödliche Szenarien hinein führt.

Die fortschreitende Zombifizierung der deutschen Gesellschaft wird nicht damit enden, dass sich der deutsche Michel aus Angst vor Kontakt und Tod Selbstmord begeht. Der deutsche Michel ist bereits tot, weil er sich selbst im Spiegel nicht mehr erkennt. Man geht nicht mehr in die Wagner Oper, stattdessen schasst man russische Dirigenten und lädt dafür angelsächsische ein. West Side Story. Deutsche Dirigenten sind derweil im Silikon Valley ganz gerne gesehen, wo sie gerade noch Rachmaninow dirigieren dürfen.

All das passt zur derzeitigen Vorkriegsstimmung. Die unterdrückte Lebendigkeit gärt im Untergrund und baut einen immer größeren, psychischen und gesellschaftlichen Druck auf, der durch immer größere schwerere Betondeckel, immer mehr Zensur im Unsichtbaren bleiben soll. Nicht die Tat, sondern der Hass ist neuerdings das Verbrechen. Unsere Top-Sozialpsychologen können ihn allerdings, im lukrativen Auftrag der Milliardäre, umlenken in die gewünschte Richtung, mal wieder Richtung Osten. Die Auftraggeber, die Warlords, Kapitalisten, Oligarchen haben hingegen überhaupt keine Kontaktangst, denn sie haben sich mit unüberwindbaren Mauern umgeben. Denken sie. Aber weder im Mittelalter, noch in der Moderne, und schon gar nicht in der Postmoderne hat es Unüberwindbare Mauern gegeben.

In Indien hab ich den berühmten Roman von George Orwell, 1984, nochmal gelesen. Das System des Großen Bruders baut auf unüberwindliche Mauern in den Köpfen, die deshalb unüberwindlich sind, weil sie von innen nicht gesehen werden können. Wenn ich nie dahin will, wo die Mauer den Weg versperrt, werde ich sie auch nie bemerken. Aber auch der Große Bruder kann des Menschen Wille, seine eigentliche Lebenskraft, nicht vollständig kontrollieren und beherrschen – auch nicht mit der fortgeschrittensten Propaganda. Auch wenn Das Wahrheitsministerium täglich die 3 Wahrheiten

KRIEG IST FRIEDEN

FREIHEIT IST SKLAVEREI

UNWISSENHEIT IST STÃRKE.

in die Köpfe hämmert, irgendwo sprießt das Unkraut durch einen vergessenen Spalt.

Durch solchen Spalt möchte ich jetzt rufen:

Kontaktangst ist Hass.

Kontakt ist Liebe.

Das Leben geht weiter.