„Das Rechts-Links-Schema ist überholt“, hört man überall. Doch wer profitiert davon, wenn die Unterscheidung zwischen Herrschenden und Beherrschten verschwimmt? Eine Analyse über den Versuch der Machteliten, die älteste politische Orientierung der Demokratie abzuschaffen – und warum das gefährlich ist.
Zur Zeit höre ich überall in Diskussionen, dass das politische Rechts- Links-Schema überholt sei. Diese Begriffe seien in der modernen Welt nicht mehr zeitgemäß, austauschbar, und man wisse nicht mehr, was sie zum Ausdruck bringen sollen.
Meiner Ansicht nach ist das ein Erfolg der Propaganda der Machteliten.
Diese Einteilung kommt noch aus der französischen Revolution, als die konservativen Machthaber auf der rechten Seite und die Revolutionäre auf der linken Seite saßen. Je nachdem, ob man von vorne oder von hinten blickt, hätte man das ja auch umgekehrt benennen können. Die rechte Hand ist aber nun einmal in allen mir bekannten Kulturen die gute Hand, und die linke Hand ist die schlechte, mit der man sich in Indien z.B. den Hintern abwischt. Rechtshänder sind in der absoluten Mehrheit und Linkshänder in der absoluten Minderheit. Deswegen haben die Herrschenden diese Wortwahl sehr gerne aufgegriffen, um Revolutionäre als Ausnahmeerscheinung und bösartige Störenfriede zu kennzeichnen.
Warum will man das jetzt abschaffen?
Weil man verschleiern will, dass das zunehmende Ungleichgewicht zwischen den wenigen Herrschenden und den vielen Beherrschten, die Ausbeutung, die Demütigung der Sklaven durch ihre Herren, etwas ist, was es zu verändern gälte in der Demokratie, wo jeder gleich geboren sein soll und das gleiche Recht auf ein selbstbestimmtes Leben haben soll.
Der Demokratiegedanke ist per se links, weil er die Sklaven, die Ohnmächtigen, die Ausgebeuteten als wertvolle Menschen betrachtet, die das Recht haben Einfluss zu nehmen auf jene Entscheidungen der jeweils Mächtigen, von denen sie existenziell betroffen sind.
Die Perspektive von Macht und Ohnmacht, von Herren und Sklaven, von Ausbeutern und Ausgebeuteten, von Reichen und Armen auszublenden ist niemals im Interesse der Unterdrückten, sondern immer im Interesse der Unterdrücker, der Ausbeuter, bzw. der wohlhabenden Herrschaften oder rechtschaffenden Patriarchen, wenn Ihnen diese Wortwahl besser gefällt.
Wer von der Hand in den Mund lebt, sollte sich diesem Versuch der Reichen und Privilegierten, das Rechts-Links-Schema abzuschaffen und durch dieses „ganz große WIR“ zu ersetzen, das der Neigung der Menschen zum Totalitarismus Vorschub leistet, widersetzen. Wer kein Vermögen hat und sein ganzes Leben dem Broterwerb widmen muss, damit er auch Urlaub machen, ins Kino oder ins Fussballstadion gehen kann, sollte sich diese Perspektive, die man besser „oben/unten“ statt „rechts/links“ benennen sollte, nicht von der Obrigkeit wegnehmen lassen.
Und auch der wohlhabende Demokrat, der von diesem System, das schon immer und natürlicherweise den Interessen der Reichen dient, profitiert, sollte sich klarmachen, dass die friedenssichernden Eigenschaften des demokratischen Rechtsstaats zerbröseln in dem Maße, wie das allgemeine Vertrauen in die Versprechungen der Menschenwürde für alle schwindet.
Im Notfall können wir immer noch Krieg machen, sagt der Machthaber, nicht gewahr, dass er gerade seine Menschenwürde und die von Millionen verspielt.
Zur Corona Kritik von links habe ich diesen Artikel gefunden, den ich hiermit empfehle https://www.linksbuendig.ch/totalitarismus
Zit. s.o.: Der Demokratiegedanke ist per se links, weil er die Sklaven, die Ohnmächtigen, die Ausgebeuteten als wertvolle Menschen betrachtet, die das Recht hätten Einfluss zu nehmen auf jene Entscheidungen der jeweils Mächtigen, von denen sie existenziell betroffen sind.
Kann man das so sagen? Die erste – altgriechische und namensgebende – Demokratie hat Sklaven und Frauen wohl nicht als Teil von Demos oder Polis betrachtet?
## Von wo kommt der „Rechts-Links-stimmt nicht-mehr-Diskurs“? Doch nicht aus der – oberflächlich betrachtet – „herrschenden“ politischen Mitte. Sind die Begriffe R/L für das Handeln von Politikern der ersten Reihe überhaupt irgendwie von Bedeutung?
Danke für Deinen Kommentar. Ganz recht, die Demokratie der alten Griechen war
eine Elitenveranstaltung. Tiere, Frauen und Sklaven zählten nicht dazu. Hier verwende ich den Demokratie Begriff, wie er sich im ausgehenden achtzehnten Jahrhundert im Zuge der sog. Aufklärung und der Proklamation der allgemeinen Menschenrechte gebildet hat. In Deutschland markiert das „Hambacher Fest“ für die deutsche Demokratie-Bewegung ein historisches Datum. Dessen ungeachtet verstehen die sog. Machteliten, die Reichen und Privilegierten, die Demokratie als ein geschicktes Mittel zur Verhinderung von Rebellion der Unterprivilegierten und Ausgebeuteten.
„Der Demokratiegedanke ist per se links,“ damit bin ich nicht einverstanden. wir kennen ja aus der Geschichte kommunistische Diktaturen oder das Pol-Pot Regime in Kambodscha. „Meiner Ansicht nach ist das ein Erfolg der Propaganda der Machteliten.“ ist das nicht schon ein Hinweis auf den Widerspruch, denn die aktuellen Machteliten sind ja links. Selbst eine grüne Diktatur lässt sich ja vorstellen, die den Kampf gegen den Klimawandel über das Wohl des Menschen stellen würde. Ich halte die Diktatur für ein soziales Phänomen. Die Organisation von Gemeinschaft führt zwangsläufig zu Spannungen. Die Notwendigkeit, Vorgaben für das Verhalten und Gruppen zu machen, kann aufgelöst werden durch eine Diktatur. Unsere liberale Demokratie ist ganz gewiss die absolute Ausnahme der Geschichte. Die Vorstellung, durch den Ausgleich über den Diskurs Wege gemeinsam zu finden, ist in früheren Generationen wahrscheinlich aus kulturellen Prägungen heraus, gar nicht entstanden. Ich glaube auch, dass der Rückfall in die Diktatur einfach ist. Einfach insofern als dass die diktatorische Herrschaft und Unterdrückung billiger ist als der Diskurs und den damit verbundenen Stress, den die Menschen aushalten müssen. Ich halte deswegen die Verarmung einer demokratischen Gesellschaft für die gefährlichste Entwicklung. Sie könnte Machteliten aus dem linken oder rechten Spektrum dazu verleiten, die Diktatur auszuprobieren.
Nach meinem Verständnis wären die aktuellen Machteliten nur dann links, wenn sie das Wohl der Unterdrückten im Auge hätten. Das ist nicht der Fall. Und Pol Pot ist ein Beispiel dafür, dass die neuen Herren in der Regel schlimmere Unterdrücker sind als die Vorgänger, die sie massakriert haben. Nach der Revolution von unten (links) entwickeln die kulturlosen Plebejer einen Totalitarismus, der sich aus Freund/Feind-Denken speist. So wars auch bei den Nazis (rechts). Zur Zeit erleben wir eine Revolution von oben (rechts): the great Reset!
Du hattest sowas ähnliches schon mal gesagt und ich stimme dir zu. Ich hatte ja schon mal auf Facebook über Links/Rechts als inhaltslose Platzhalter geschrieben. Ich würde dieses Beschreibungspaar lieber als progressiv/konservativ beschreiben. Doch dieses in der Gesellschaft durchzusetzen halte ich für ein Ding der Unmöglichkeit.
Hm — die Nazis haben sich für sehr progressiv gehalten. Bedeutet „progressiv“ nicht erst einmal die Bereitschaft, etwas Neues auszuprobieren, auf die Gefahr hin, dass man nicht mehr zum Alten zurück kann?